Lehrkompetenzentwicklung für extensiven Leseunterricht (LEELU)

Marta Dawidowicz, Katrin Hofmann und Karen Schramm

Das LEELU-Projekt fragt nach Gestaltungsmöglichkeiten von Lehrer_innenbildungsmaßnahmen im Bereich Deutsch als Fremdsprache (DaF) und findet in Zusammenarbeit von vier europäischen Universitäten (Universität Wien, Università degli Studi di Palermo, Universiteit Utrecht, Eötvös Loránd Tudományegyetem Budapest) und insgesamt neun Schulen an den drei DaF-Standorten statt.Es fokussiert dabei auf die Erforschung des didaktischen Konzepts des extensiven Lesens (vgl. Abitzsch et al. 2017), das Gegenstand der konzipierten und evaluierten Lehrerbildungsmaßnahme ist. Extensives Lesen, bei dem Lernende interessengeleitet Lesestoff auswählen und in hoher Geschwindigkeit möglichst viel lesen (vgl. z.B. Bamford/Day 2002), weist hohes Potenzial für die Verbesserung von Lesekompetenz und literarischer Kompetenz sowie für die Steigerung der Lesemotivation auf (vgl. z.B. Yamashita 2015). Während beide Forschungsschwerpunkte im Projekt LEELU gleichermaßen gewichtet werden (vgl. Tab. 1; http://www.leelu.eu), wird der Fokus in diesem Beitrag nur auf die Konzeption und Untersuchung der Bildungsmaßnahme für Lehrer_innen gerichtet.

Tab. 1 Übersicht über die Projektphasen

Forschungskontext

            Die am Projekt teilnehmenden Lehrer_innen unterrichten an drei europäischen Schulstandorten, die jeweils von den Hochschulteams vor Ort, d.h. in Budapest, Palermo und Utrecht/Papendrecht, betreut werden. Pro Standort sind 10. Jahrgangsstufen von jeweils drei unterschiedlichen Schulen und somit drei erfahrene Lehrpersonen beteiligt. Jede dieser Lehrerinnen arbeitet zudem mit einem oder einer Lehramtsstudierenden des Faches Deutsch zusammen, so dass sich eine Gesamtzahl von neun angehenden und neun erfahrenen Lehrer_innen ergibt.

Lehrer_innenbildungsmaßnahme            

Die Bildungsmaßnahme, an der die 18 Lehrpersonen teilnehmen, ist in Orientierung an interdisziplinären Forschungsergebnissen nach den Prinzipien Erfahrungsbasiertheit, kollegiale Kooperation und videobasierte Reflexion gestaltet (vgl. Dawidowicz et al. 2017). Gerahmt wird sie von einem anfänglichen Präsenztreffen in Wien, bei dem sich die Lehrpersonen untereinander kennen lernen sowie die neuen Inhalte in Bezug auf den Leseunterricht erarbeiten, und von einem abschließenden Präsenztreffen in Budapest, das vorrangig einem finalen Resümee sowie einer Evaluation des eigenen Lernfortschritts dient.

            Den Kern der Bildungsmaßnahme stellt der dazwischenliegende Zeitraum von rund neun Monaten dar, in denen das Extensive Lesen im Unterricht durchgeführt wird. Im Sinne eines begleiteten Transfers von innovativen Vorgehensweisen in den Unterricht filmen die Lehrpersonen ihren Leseunterricht, stellen ihn über die Social Video Learning Plattform edubreak® (www.edubreak.de) online zur Sichtung und Kommentierung bereit und reflektieren ihr Vorgehen anschließend in verschiedenen Gesprächspartnerkonstellationen. Die Lehrer_innen reflektieren regelmäßig im Rahmen von schulspezifischen Tandems über den eigenen Unterricht: Im zweiwöchigen Rhythmus beraten sie sich abwechselnd auf Basis des gefilmten Unterrichts in ihrer Schule und evaluieren anschließend ihren individuellen Lernzuwachs mit einem kompetenzorientierten Reflexionsinstrument. Aus den dabei diskutierten Videostellen wählen die Tandems besonders relevante Passagen in Bezug auf Herausforderungen oder inspirierende Gestaltungsideen aus, die in einem nächsten Schritt einer größeren Gruppe vorgestellt werden. Jeden zweiten Monat finden auf dieser Grundlage Videokonferenzen aller Tandems eines Landes und im gleichen Rhythmus Gespräche in international gemischten Gruppen statt. Alle Gespräche werden von einer Projektmitarbeiterin moderiert und protokolliert. Die Moderationsrichtlinien fokussieren dabei vor allem auf die Förderung einer Ko-Konstruktion von Wissen.

            Die leitenden Prinzipien werden bei diesem Vorgehen durch den kontinuierlichen, dialogischen Aufgriff des dokumentierten Unterrichtsgeschehens umgesetzt, der einerseits direkt an den Erfahrungen der Lehrer_innen anknüpft und andererseits durch die Besprechung mit den Kolleg_innen Raum für ein vertieftes Verständnis der Wirkungszusammenhänge ermöglicht. Das Drei-Ebenen-Modell in Bezug auf die Konstellation der Gesprächspartner_innen hat zum Ziel, die Reflexion durch eine möglichst hohe Vielfalt unterschiedlichen Erfahrungswissens und somit Perspektiven auf das Unterrichtsgeschehen zu intensivieren.

Forschungsdesign

            Das in diesen Rahmen eingebettete Forschungsinteresse hat einen evaluativen Charakter. Mittels dreier Fragebögen zu Beginn, Ende und wenige Monate nach der Bildungsmaßnahme wird die Einschätzung der Lehrpersonen hinsichtlich ihres Lernfortschritts sowie der Gelingensbedingungen in einer so gestalteten Bildungsmaßnahme ermittelt. Zusätzlich werden sowohl die insgesamt neun nationalen als auch die neun internationalen Gespräche per Bildschirmaufnahme aufgezeichnet und interaktionsanalytisch ausgewertet. Ziel der zweiten Teilstudie ist es, Gelingensbedingungen (u.a. in Bezug auf die Moderationshandlungen) und Interaktionsmuster bei der Ko-Konstruktion von Wissen herauszuarbeiten.

Ausblick

            Konzeption und Pilotierung der dargestellten Bildungsmaßnahme zielen darauf ab, einen Beitrag zur Etablierung und Erforschung professioneller Lerngemeinschaften im Bereich der (internationalen) fremdsprachendidaktischen Aus- und Fortbildung von Lehrer_innen zu leisten. Neben der Bereitstellung eines umfassenden Konzeptpapiers (vgl. Dawidowicz et al. 2017), das in der letzten Projektphase um die Ergebnisse der empirischen Untersuchung ergänzt wird, ist es auch ein Anliegen des Projekts, die entwickelten Materialien für Lehrpersonen und Lehrerbildner_innen zugänglich zu machen. Dazu gehören beispielsweise Kompetenzdeskriptoren und ein damit verknüpftes Reflexionstool, mithilfe dessen Lehrer_innen ihre professionelle Weiterentwicklung in Bezug auf das eigene Lernen nachverfolgen und evaluieren können. Für Aus- und Fortbildner_innen werden nach der Datenauswertung die Materialien der rahmenden Präsenzveranstaltungen sowie auch adaptierbare Beobachtungsbögen, ein Moderationsleitfaden und Instruktionsbeispiele für die lehrerseitige Vorbereitung videobasierter Gespräche online zur Verfügung gestellt werden.  So werden die in dem Projekt erarbeiteten und erprobten Materialien der Praxis zugänglich gemacht, um auf diese Weise einen Beitrag zu einer an den Bedürfnissen der verschiedenen Akteur_innen orientierten Lehrer_innenbildung zu leisten.

Literatur

Abitzsch, D./ van der Knaap, E./ Abbate, R./ Dawidowicz, M./ Feld-Knapp, I./ Hoffmann, S./ Perge, G./ Schramm, K. (2017). „Freies Lesen im LEELU-LehrerInnenbildungsprojekt. Vom Forschungsstand zu einer Handreichung für den Unterricht“. https://leelu.eu/ueber-leelu/publikationen/konzeptpapier-zum-freien-lesen-in-leelu (27.11.2017).

Bamford, J./ Day, R. R. (2002): “Top ten principles for teaching extensive reading”. In: Reading in a Foreign Language, 14:2, S. 136–141.

Dawidowicz, M./ Schramm, K./ Abitzsch, D./ Feld-Knapp, I./ Hoffmann, S./ Perge, G./ van der Knaap, E. (2017). „Erfahrungsbasiertheit, kollegiale Kooperation und videobasierte Reflexion als Prinzipien des LEELU-LehrerInnenbildungsprojekts“. https://leelu.eu/wp-content/uploads/sites/164/2017/10/Konzeptpapier-2-.pdf (27.11.2017).

Yamashita, J.  (2015). “In  search  of  the  nature  of  extensive  reading  in  L2:  Cognitive,  affective,  and pedagogical perspectives”. In: Reading in a Foreign Language, 27:1, S. 168–181.

 


[1] Dieses Projekt wurde mit Unterstützung der Europäischen Kommission finanziert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung tragen allein die Verfasserinnen; die Kommission haftet nicht für die weitere Verwendung der darin enthaltenen Angaben.

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