Dr. Ivo Steininger
Justus-Liebig-Universität Gießen
Ausgangsbedingung und Zielsetzung
Die Auseinandersetzung mit Kompetenzstrukturen und -modellen als eines der ‚heißen Eisen‘ der fremdsprachlichen Fachdidaktik rückt, nachdem der Blick vornehmlich auf die Lernenden gerichtet war, zunehmend die Rolle der Lehrenden in den Fokus (cf. Gnutzmann/König/Küster 2014). Während aktuelle Forschungsprojekte zumeist auf die erste Phase der Fremdsprachenlehrer_innenbildung fokussieren (cf. Schart/Legutke 2016), sind Untersuchungen zur zweiten Phase spärlicher gesät. Und eine Untersuchung, in der systematisch nach der Struktur von fachdidaktischen Kompetenzen für den Fremdsprachenunterricht gefragt wird, fehlt bislang. In Zusammenarbeit mit David Gerlachs Projekt zur zweiten Phase der Fremdsprachenlerher_innenbildung, das dem strukturtheoretisch und berufsbiographisch geprägtem Paradigma der Ausbildungspraxis verpflichtet ist, verfolgt das hier skizzierte Projekt die datengeleitete Modellierung fachdidaktischer Kompetenzen von Lehrkräften im Vorbereitungsdienst (vgl. Gerlach/Steininger 2016a, b).
Ausgehend von der Feststellung der Arbeitsgruppe Standards für die Lehrerbildung, dass die „Formulierung von konkreten fachdidaktischen Kompetenzen und Standards […] als Aufgabe für die Zukunft“ bestehen bleibt (KMK 2004a: 14), leistet die im Projekt forcierte empirische Annäherung Grundlagenforschung innerhalb der Domäne Fremdsprachendidaktik. Als theoretische Bezüge dienen dem Projekt die Kompetenzstrukturen, die in den Standards Lehrerbildung (KMK 2004b) sowie dem Europäischen Portfolio für Fremdsprachenlehrende in der Ausbildung (EPOSA) zu finden sind (Europarat 2007).
Forschungsmethodologischer Rahmen und Forschungsfragen
Angelegt als fallstudienbasierte longitudinal-orientierte Panel-Analyse (vgl. Kromrey/Strübing 2009:67) wird eine Gruppe von 8 hessischen Lehrkräften im Vorbereitungsdienst (Referendariat) über den gesamten Zeitraum der Ausbildungsphase und in die Berufseinstiegsphase hinein begleitet. Die 4 Zeitpunkte der Datenerhebung orientieren sich an der Struktur des hessischen Vorbereitungsdienstes und generieren dabei folgende Datensätze:
- Narrative Interviews (T1),
- fokussierte Leitfadeninterviews (T2-3),
- schriftliche Unterrichtsvorbereitungen der LiV,
- Audioaufnahmen der Reflexionsgespräche,
- der Ausbildung nachgelagert fokussierte Leitfadeninterviews in der Berufseinstiegsphase der Teilnehmenden (T4).
Mit den Narrativen Interviews wird darauf gezielt, Einblicke in biographische Fallrekonstruktionen der teilnehmenden LiV zu gewinnen. Markante Aspekte (verschieden/ähnlich) können dann in den folgenden fokussierten Leitfadeninterviews aufgegriffen und in einen Zusammenhang mit der erfolgten Unterrichtsplanung gestellt werden. In den fokussierten Leitfadeninterviews werden die im ersten Datensatz gewonnenen Einsichten aufgegriffen, mit dem Ziel, diese in Bezugnahme auf den Datensatz Unterrichtsplanung und Reflexionsgespräch zu sättigen. Damit werden die T2 und T3 Interviews von den zunächst fallbezogenen und dann fallstudienübergreifenden Analysen und den sich daraus sukzessive entwickelnden Kategorien flankiert.
Damit aus den Analysen und Interpretation der Daten Kategorien und für die Struktur relevante Elemente generiert werden können, erfolgt die Datenauswertung mittels des Verfahrens der induktiven qualitativen Inhaltsanalyse (vgl. Kuckartz 2012; Mayring 2000), mit dem Ziel, aus der materialbezogenen Kategorienbildung Faktoren für die Beschreibung von Kompetenzentwicklung in der zweiten Phase der Lehrerbildung abzuleiten.
Die leitenden Forschungsfragen lassen sich dabei wie folgt umreißen:
- Wie lassen sich genuin fachdidaktische Fähig-/Fertigkeitsbereiche aus der ‚Selbstverortung‘ der Domäne ableiten?
- Welche originär fremdsprachendidaktischen Kompetenzbereiche, Teilkompetenzen und Kompetenzbeschreibungen lassen sich ausmachen?
- Wielassen sich normative (Leistungserwartungen) mit deskriptiven Momenten der Kompetenzentwicklung in Einklang bringen?
Gezielt wird auf ein datengeleitetes Identifizieren von Prozessebene fachdidaktischer Kompetenzentwicklung. Durch den Abgleich von induktiver Kategorienbildung und existierender Kategorien der im vorangegangenen Abschnitt erwähnten Kompetenzmodelle, soll ein struktureller Rahmen für die Beschreibung von Kompetenzentwicklung generiert werden.
Auf diese Weise generierte und strukturierte Entwicklungsaspekte bieten sowohl der Praxis als auch der fachdidaktischen Theorie nicht zu unterschätzende Hilfestellung im Bereich der Operationalisierung von Teilleistungen, der Beurteilung von Lernfortschritt, der Transparenz von Leistungserwartungen sowie der Formulierung von Indikatoren bezüglich der Kompetenzdiagnostik.
Literatur
- Europarat (Hrsg.) (2007). Europäisches Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung. Ein Instrument zur Reflexion.Strasbourg/Graz: Europarat, ECML.
- Gerlach, David & Steininger, Ivo (2016a): „Fachdidaktische Kompetenzen und fremdsprachliche Professionalisierung: Einblicke in Forschungsprojekte zur zweiten Phase der Fremdsprachenlehrerbildung.“. In: Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 27 (2), S. 181–199.
- Gerlach, David & Steininger, Ivo (2016b): Professionalisierung und Kompetenzentwicklung in der 2. Phase der Fremdsprachenlehrer(innen)bildung: Akteure, Prozesse, Themen. In Michael K. Legutke & Michael Schart (Hrsg.), Fremdsprachendidaktische Professionsforschung: Brennpunkt Lehrerbildung. Tübingen: Narr, S. 197–225.
- Gnutzmann, Claus/Königs, Frank G. & Küster, Lutz (Hrsg.) (2014). FLuL—Fremdsprachen Lehren und Lernen. Fremdsprachenlehrer im Fokus. Heft 43 (1).
- KMK (2004a). Standards für die Lehrerbildung: Bericht der Arbeitsgruppe. [Online: http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2004/2004_12_16-Standards_Lehrerbildung-Bericht_der_AG.pdf. 13.03.2018].
- KMK (2004b). Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16.12.2004. [Online: http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2004/2004_12_16-Standards_Lehrerbildung.pdf. 13.03.2018]
- Kromrey, Helmut; Strübing, Jörg (2009). Empirische Sozialforschung. Modelle und Methoden der standardisierten Datenerhebung und Datenauswertung. Stuttgart: Lucius & Lucius.
- Kuckartz, Udo (2012). Qualitative Inhaltsanalyse: Methoden, Praxis, Computerunterstützung. Weinheim: Beltz-Juventa.
- Mayring, Philipp (2000). Qualitative Inhaltsanalyse. In: Flick, Uwe/von Kardorff, Ernst/Steinke, Ines (Hg.). Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt, 468-475.
- Michael K. Legutke & Michael Schart (Hrsg.), Fremdsprachendidaktische Professionsforschung: Brennpunkt Lehrerbildung. Tübingen: Narr